Werkbetrachtung
(verfasst von Mandy Gnägi, Kunsthistorikerin, Moderation/Redaktion)
Christine Huber-Wegmann arbeitet mit klassischen Mitteln der Kunst und schafft damit Neues und Eigenes. Und das ist es nicht alleine. Ihre Arbeiten erscheinen wie das Werk eines Derwischs, einem Mittler zwischen dem Konkreten und Irdischen und dem Verborgenen und Geistigen. Vieles ist nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Aus dem Erkennen folgt nicht unweigerlich ein Erfahren ihrer Kunst. Hinter den Werken liegt also mehr verborgen, als wir es im ersten Betrachten als primär ratio-geprägte Menschen zu erkennen meinen und ein allzu schnelles Abhaken wird ihrer künstlerischen Intention nicht gerecht. Bei der Werkgruppe, bei denen Ausschnitte von Tulpen und Birken zu sehen sind, hat sich die Künstlerin an ganz konkreten Formen orientiert. Wir sehen, ähnlich wie in einer fotografischen Nahaufnahme, Ausschnitte bestimmter Bereiche, die mal mehr und mal weniger an die Pflanzen erinnern, die wir aus unserem Alltag kennen.
Der Rahmen, den uns die Künstlerin bietet, verweist bereits auf eine Fokussierung und damit auf einen Grad der Abstraktion. Beides lädt uns dadurch zum Verweilen ein, wie es aber auch irritiert: Worum geht es der Künstlerin bei der Wahl ihres Ausschnitts, wenn nicht darum, eine Pflanze in ihrer ganz konkreten und natürlichen Form darzustellen, obwohl wir sie noch erkennen können?
Christine Huber-Wegmann verdichtet. Verweist auf etwas, das sowohl dem Gegenstand ihrer Werke zu Grunde liegt als auch auf etwas, was ihn auszeichnet. Im Detail erschliesst sich also das mannigfaltige Ganze. Die Darstellung einer erkennbaren Oberfläche ist der Schlüssel dazu, wonach wir gedanklich streben sollen. Die Tulpe ist ein fragiles, zartes Gewächs, das seit der Antike bekannt ist, in Nordafrika seinen Ursprung hat und wohl als "Rose von Scharon" in der Bibel Erwähnung findet. Ein Liliengewächs, dessen Blüten- und Farbenpracht aus einer weniger schönen Zwiebel entsteht, mit Blättern, die an Wachs erinnern und in jedem Schritt ihres Wachstums eine neue Schicht zeigt. Diese Schichten beinhalten das Werden und Vergehen im Prozess des Seins ebenso wie Christine Huber-Wegmann diesen Schichten auf ganz direkte Weise nachgegangen ist. In zahlreichen Lagen und Malschichten erst entstand das Bild. Und obwohl wir vieles davon nicht mehr sehen können, schwingt es mit, schwingt es durch und erschliesst sich uns über das Verweilen vor dem Bild.
Gleiche Arbeitsweise gilt für die Arbeiten, die Ausschnitte einer Birke zeigen. Bekannt ist dieser Baum für sein schnelles Wachstum ebenso wie für seine Rinde, die mehrfarbig ist, sich permanent schält und aufspringt und so immer etwas von dem Inneren zu sehen ist.
In seinen herabhängenden Blütenstämmen, den Kätzchen, vereint er aber auch das Männliche und Weibliche auf seinem Stamm. Christine Huber-Wegmann wählt einen besonderen Ausschnitt, der gleichermassen zum Symbol seines selbst wird, seiner Geschichte, seiner Entstehung und seinem Zeitlichen. Die Schichten von Acrylfarbe und verschiedenem Schichtmaterial verweisen mehr auf eine inhaltliche Tiefe, als dies durch das Material aufgezeigt werden könnte. Hier geht es um das Moment der Schöpfungsenergie, einer ureigenen Verbundenheit allen Lebens, um das Miteinander von Unruhe und Ruhe, um die gleiche Quelle von Mann und Frau, ihrem Miteinander und ihrer klaren Disparität ebenso.
Das Verbinden ist für Christine Huber-Wegmann sowohl auf der inhaltlichen als auch auf der technischen Ebene ein wesentliches Moment. Technisch präzisiert vor allem durch Schulungen bei Renate Moser, bringt sie Fotografie auf den Malgrund auf, Schichten von Farbe, Wachs und anderes Schichtmaterial, Blattgold, Farbstifte und setzt hier keine Prioritäten sondern überarbeitet so lange, bis ihre Intuition Einhalt gebietet und sie sich davon lösen kann. Inhaltlich verbindet die Künstlerin in ihren Werken vermeintlich Gegensätzliches auf ganz unterschiedliche Weise. Hinter der Beschaffenheit und Darstellung auf der Oberfläche liegt die Komplexität allen Seins verborgen. Was wir also im ersten Moment mit dem Sehsinn aufnehmen, bedarf eines mehrfachen Hinschauens, um auf eine Bedeutungsebene zu gelangen.
In den Arbeiten, in denen sie noch stärker den Weg der Abstraktion geht, gilt dies gleichermassen. Hier lenken Farben und Formen, lassen stärker noch den Raum für eigene Zugänge offen, der durch den Farbauftrag, den Pinsel- oder Spachtelstrich bestimmt wird, durch das Miteinander von Ruhe und Bewegung, durch die Schichten von Material und durch das Format.
Und wie der Derwisch uns mit seinen zunächst langsam kreisenden Bewegungen, der immer schneller werdenden Drehung um die eigenen Achse als das Zentrum im Jetzt, durch das Angebot der Verinnerlichung als Mittler erscheint, so ist dies in den Werken aus der Hand von Christine Huber-Wegmann alles bereits vollzogen und doch noch nicht beendet. Sie zeigen und verbergen, geben Tiefe an wo das Material faktisch bereits begrenzt ist, lassen den Geist unaufhörlich kreisen, der seinen eigenen Weg einer Verbindung gehen kann. Denn: Vieles ist zum Glück nicht so, wie es auf den ersten Blick erscheint.